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Des Zeitgeists Mahnung von Karl Frohme

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Karl Frohme
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     Dichter . A/F . Karl Frohme


Des Zeitgeists Mahnung

(Zur Jahrhundertwende 1901.)

Der letzte mitternächt'ge Stundenschlag
Bracht' uns an eine große Zeitenwende,
Ein schicksalschwer' Jahrhundert ging zu Ende -
Und vor uns liegt der Menschheit neuer Tag.
Das Aug' ermunternd, kraftvoll auszuschauen,
Spielt ob dem schweigenden Gefild
So seltsam feierlich das Morgengrauen
Um dunkler Schatten traumhaft schwankend Bild.
Und aus dem Schauen wächst ein herrlich Ahnen,
Das unser ganzes Sein erfaßt;
Durch unsre Seele klingt ein göttlich Mahnen,
Vor dem des Tages Lebensbild verblaßt.
Ist es uns doch, als stünd' auf höchster Warte
Der Zeitengeist
Und schwinge seine flammende Standarte,
Die uns der Zukunft neue Bahnen weist;
Als lass' er loh'n ringsum von allen Türmen
Des Vestafeuers heil'gen Opferbrand
Und eh'rne Glockenmelodien stürmen
Hernieder in das stille Land.

Wacht auf, wacht auf zu hehrer Feierstunde,
Ihr Schläfer all! Der Geist hält ein Gericht;
Gewaltiger als sonst gibt heut' er Kunde
Von seiner Macht. Vernehmet, was er spricht;

Natur hat ihren Fluch gehängt
Ans Stillesteh'n;
Gepriesen sei die Kraft, die drängt
Zum Vorwärtsgeh'n!

An solche heil'ge Kraft zu glauben,
Bleibt stets der Menschheit bestes Teil;
Läßt sie sich diesen Glauben rauben,
So sündigt sie am eignen Heil.
Schwer muß in wachsender Verwirrung
Sie büßen, wenn ein schlimmer Wahn
Sie treibt zu frevelhafter Irrung
Von der vernunftgeweihten Bahn,
Die ich ihr angewiesen habe,
Daß sie getreulich Spur um Spur
Erringe schönern Glückes Gabe,
Die Wohltat höherer Kultur.

Weh' dem Geschlechte, das, versunken
In Hochmut, nur sich selber lebt,
Vom Gifte falscher Selbstsucht trunken
Nicht für die Nachwelt freudig strebt!
Ihm bleibt nichts andres zu vererben,
Als was mein Urteilsspruch verflucht:
Fortzeugend Unheil und Verderben,
Das strenge die Geschichte bucht.

Doch kommt die Zeit, wo solch Verschulden
Zermalmendes Gewicht erreicht
Und all' das schmähliche Erdulden
Dem sühnenden Begehren weicht,
Dem unbezwinglichen Verlangen
Nach der Erlösung des Geschlechts,
Dem heißen, hoffnungsvollen Bangen
Um einen Sieg des Menschenrechts.

Dann trete ich in die Erscheinung,
Die Macht, die allen Wandel schafft,
Und spottend törichter Verneinung
Leih' ich den Völkern meine Kraft,
Daß sie der marternden Bedrängnis
Sich widersetzen, kühn und frei,
Und Fehde schwören dem Verhängnis
Der Tyrannei.
Die Millionen der Bedrückten
Entflamme ich zum heil'gen Krieg,
Und führ' die duldend hoch Beglückten
Zum Sieg.
Mag ihnen sich entgegenstemmen,
Auf "Rechte" pochend, die Gewalt,
Sie kann mein Machtgebot nicht hemmen,
Ich trotze ihrem dreisten "Halt".
Nicht blindes Wüten und nicht Beten
Errettet sie vom Untergang;
Es wirkt in dem, was sie zertreten,
Ein rächender Vernichtungszwang.
Sie sinkt in Trümmer, und vergebens,
Der ewigen Vernunft zum Spott,
Fleht sie um Kräfte neuen Lebens
Zu ihrem Gott.

O hoffet nicht, daß Offenbarung
Euch über Nacht vom Himmel kommt;
Wißt, daß nur läuternde Erfahrung
Der Menschheit zur Erlösung frommt!
Erkenntnis heißt der Gottessegen,
Der aus der Zeiten Leid entspringt,
Und euch allmächtig allerwegen
Zu neuen Zielen vorwärts bringt.
Sie ist die Kraft, die in mir richtet,
Euch von ererbtem Fluch befreit,
Und das, was ungerecht, vernichtet
Im Namen wahrer Menschlichkeit.
Der Zeiten Schuld wird nur erlassen,
Und dann nur siegt des Guten Macht,
Wenn in den unterdrückten Massen
Der Glaube an sich selbst erwacht;
Wenn das Bewußtsein ihrer Würde
Sie hebt zu freiem Geistesflug
Und sie die aufgezwungne Bürde
Abwerfen mit dem Ruf: "Genug!
Es soll fortan nicht mehr geknechtet
Und heimgesucht von Elends Pein,
Nicht mehr verachtet und entrechtet
Das treue Volk der Arbeit sein."

O zweifelt nicht, es wird gelingen!
Schon das Jahrhundert, das entschwand,
Gab Euch für herrliches Vollbringen
Des Kampfs ein sicher Unterpfand.
Im neuen Säkulum die Krönung
Der siegenden Gerechtigkeit -
Und dann ein Fest der Weltversöhnung
In nie geahnter Herrlichkeit!
Voran in deiner Armut Blöße,
Du schwergeprüfter Proletar!
Du wirst zum Richter sünd'ger Größe
In meiner kampfgeweihten Schar,
Ein opferfreudiger Bezwinger
Des tausendfachen Fluchs der Not,
Der Welt ein wahrer Segenbringer -
Dich grüßt der Zukunft Morgenrot!









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Silvestergruß: "Des Zeitgeists Mahnung" von Karl Frohme